1. Einleitung

Jehovas Zeugen sind eine unabhängige christliche Religionsgemeinschaft, deren endzeitlich betonte Lehre das "Königreich" Gottes verkündigt. Das "Königreich" ist Gottes Regierung im Himmel, die unter der Leitung Jesu Christi alle Probleme der Menschheit durch die Errichtung seiner Friedensherrschaft auf Erden für immer lösen soll. Religionsgeschichtlich kann die Glaubensgemeinschaft dem Chiliasmus zugeordnet werden, der Lehre von der Erwartung des Tausendjährigen Reiches Christi (Millenium).

Die Gemeinschaft entstand im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Amerika aus der damals verbreiteten endzeitlichen Naherwartung der Wiederkunft Christi (Parusie) und der Errichtung eines Neuen Jerusalems. Vor Anbruch des Königreiches Gottes auf Erden wird es nach dem Glauben der Zeugen Jehovas zu einer Entscheidungsschlacht (Harmagedon) kommen, in der Gott die bösen Mächte des Teufels besiegen und vernichten wird.

Um 1870 sammelte der amerikanische Geschäftsmann Charles Taze Russell (1852-1916) eine kleine Gemeinschaft an der Erforschung der Bibel Interessierter, die unter dem Namen "Ernste Bibelforscher" die Bibel auf ihre endzeitlichen Aussagen hin studierten.

Ab 1879 erschien die Zeitschrift "Zion's Watch Tower" (Zions Wachtturm), ein Jahr später wurde die Watch Tower Bible and Tract Society" gegründet, die seit 1909 in Brooklyn, New York ihren Hauptsitz hat.

Seit 1931 hat die Religionsgemeinschaft den Namen 'Jehovas Zeugen’ angenommen. Der Gottesname stützt sich auf den hebräischen Text des Alten Testaments, Jesaja 43, 10.12., der etwa 7.000 Mal in den hebräischen Schriften der Bibel als Tetragramm JHVH ("vier Buchstaben") belegt ist.

Jehovas Zeugen sehen sich in der biblischen Zeugen-Tradition des Alten und besonders des Neuen Testamentes wie z. B. die Textstelle der überlieferten Jesu-Worte an Pontius Pilatus nachweist: "Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, damit ich für die Wahrheit Zeugnis ablege" (Joh. 18:37)

In Deutschland sind Jehovas Zeugen seit 1896 tätig, bis 1931 als "Ernste Bibelforscher" bekannt. Ihrer Religionsgemeinschaft gehören in Deutschland 162.000 Mitglieder in über 2.000 örtlichen Gemeinden an. Weltweit gibt es heute über fünf Millionen Mitglieder (Verkündiger) in 232 Ländern. Ihr bedeutendstes Publikationsorgan ist "Der Wachtturm" mit einer Auflage von 18 Millionen. 1995 kamen bei der jährlichen Abendmahlsfeier weltweit über 13 Millionen Personen zusammen.

Rekapitulation:

Fakten und Anerkennung des Widerstands Jehovas Zeugen haben als religiöse Gemeinschaft während der NS-Herrschaft unter Hitler fast geschlossen den Nationalsozialisten widerstanden.

"Von den mehr als 20.000 Zeugen Jehovas im Jahre 1933 wurde fast jeder zweite inhaftiert.

Insgesamt waren 6.019 verhaftet worden, 8 917 Verhaftungen wurden registriert. Ins Konzentrationslager wurden 2.000 Männer und Frauen eingeliefert, 253 waren zum Tode verurteilt worden, und 203 davon wurden tatsächlich hingerichtet. " (Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974, Wiesbaden 1994, S. 212)

In Deutschland und im Ausland ist diese beispielhafte Haltung von bedeutenden Kirchenvertretern wie von Historikern anerkannt und gewürdigt worden.

Zwei Beispiele dafür:

Hanns Lilje, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, der kurz nach dem Krieg in seinem Erinnerungsbuch schrieb, daß "...keine christliche Glaubensgemeinschaft ...sich mit der Zahl ihrer Blutzeugen auch nur von ferne messen" könne. ("Im finstern Tal", Nürnberg 1947, S. 47)

Der evangelische Theologe Kurt Hutten, der später die ehemalige Apologetische Zentrale der Evangelischen Kirche in Deutschland unter dem Namen 'Evangelische Zentrale für Weltanschauungsfragen' in Stuttgart aufbaute und leitete, schrieb in seinem bis heute als Standardwerk geltenden Buch "Seher, Grübler, Enthusiasten" (1954 e.Aufl. S.69)

"Im nationalsozialistischen Staat wurden die Zeugen Jehovas schon 1933 verboten und grausam verfolgt. In zahlreichen Prozessen wurden schwere Strafen über sie verhängt. Zu Tausenden wurden sie wegen Fortsetzung ihrer Tätigkeit, Kriegsdienstverweigerung und anderen Gründen verhaftet. Zeugnisse von ehemaligen KZ-Häftlingen bestätigen ihre unbeugsame Entschlossenheit und tapfere Haltung; lockende Freiheitsangebote, die mit einer Verleugnung ihrer Grundsätze verbunden waren, lehnten sie ab und nahmen alle Konsequenzen auf sich. Etwa 1.000 wurden hingerichtet, weitere 1000 starben in den Gefängnissen und KZ; über 20.0000 Jahre Gefängnis wurden über die Mitglieder der Zeugen Jehovas verhängt."

Im Jahre 1989 bewertete der kanadische Rechtswissenschaftler der Universität Ottawa, William Kaplan: "Der Mut der Zeugen Jehovas, die Unterdrückung erduldeten und für das kämpften, was sie glaubten, ist ein Zeugnis für den menschlichen Geist."

Versagen der Großkirchen während der NS-Herrschaft

Kurz nach Kriegsende hat sich die Evangelische Kirche 1945 mit dem Nürnberger 'Schuldbekenntnis' zu ihrem Versagen gegenüber dem Nationalsozialismus öffentlich bekannt.

Dieses Bekenntnis beinhaltete die schweigende Hinnahme und Billigung der Verfolgung insbesondere der Juden mit den Konsequenzen des größten Völkermordes in der Geschichte und der Billigung des Angriffs- und Vernichtungskrieges, den Hitler gegen die Welt geführt hatte, mit den Folgen von 55 Millionen Toten, der Zerstörung und Verwüstung ganz Europas.

Beide großen Kirchen gingen von verschiedenen Positionen aus.

Deutschland war durch Kaiserreich und Bismarck-Preußen protestantisch geprägt. Die Weimarer Republik hatte durch ihren Säkularisierungsprozeß - Anerkennung anderer Glaubensgemeinschaften als gleichberechtigt und Ablehnung des Sektenbegriffes (1919) - in Teilen der Kirche Ablehnung gefunden. Die evangelische Kirche hoffte auf die Wiederherstellung ihrer Privilegien durch eine neue politische und nationale Macht. In Hitler sahen viele evangelische Geistliche einen von "Gott gesandten großen Mann", der die Wiedergeburt eines evangelischen Deutschlands einleiten würde.

Die Katholische Kirche hatte nach der Bekämpfung ihrer Zentrumspartei durch Bismarck unter der Kaiserregierung Wilhelm II. weitere Machteinbußen in Deutschland erlitten. Deshalb unterstützte die katholische Zentrumspartei den Aufbau der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg. Vor 1933 hatte die Katholische Kirchen noch eine ablehnende Haltung gegenüber den Nationalsozialisten eingenommen. Der Eintritt in die NSDAP war Katholiken untersagt und die Rassenideologie innerhalb der Kirche verurteilt. Nach dem Machtantritt Hitlers am 30. Januar 1933 kam es schon bald zu einem Kurswechsel, am 24. März 1933 forderten die Bischöfe in ihren Hirtenbriefen die deutschen Katholiken auf, sich gegenüber der "rechtmäßigen Obrigkeit" loyal zu verhalten, die staatsbürgerlichen Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und alle rechtswidrigen oder umstürzlerischen Akte zu unterlassen. Gottesdienste durften nun in Uniform besucht werden, kirchliche Würdenträger feierten "die Größe der Zeit" und bekundeten aufrichtige und freudige Bereitschaft zur Mitarbeit im neuen autoritären Staat.

Die Reichsregierung Hitler und der Vatikan schlossen bald darauf am 20. Juli 1933 das Konkordat, ein besonderer Schutzvertrag, der die Rechte der Katholischen Kirche auf eigene Schulen, Orden, Religionsunterricht u.a. in Deutschland garantierte. Dafür verpflichtete sich die Kirche, durch ihre politische Zentrumspartei dem Ermächtigungsgesetz im März 1933 zuzustimmen. Bischöfe der Katholischen Kirche traten am 28. März 1933 ganz offen für Hitler und die NSDAP-Führung ein und mahnten zur "Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit".

Nach dem Konkordatsabschluß, schrieb der katholische Kardinal von Faulhaber an Hitler:

Dieser Handschlag mit dem Papsttum (bedeutet) eine Großtat von unermeßlichem Segen... Gott erhalte unserem Volk unseren Reichskanzler (Adolf Hitler)

Die katholische Kirche glaubte ihre Existenz sichern zu können, wenn sie sich mit den neuen Machthabern arrangierte. Dies war ein Irrtum, Hitler dachte nicht daran, irgendwelche Verträge zu halten. Auch die zahlreichen Gesuche hoher katholischer Würdenträger an den "hochzuverehrenden Herrn Reichskanzler" änderten daran nichts.

Noch schlimmer verhielt sich die Evangelische Kirche. Am 27. September 1933 wurde in Wittenberg die deutsche evangelische Nationalsynode abgehalten, wo Pfarrer Ludwig Müller zum Reichsbischof berufen wurde.

In seiner Rede spiegelt sich die Übernahme der totalitären Ideologie Hitlers wider:

...Wie jedem Volk so hat auch unserem Volk der ewige Gott ein arteigenes Gesetz eingeschaffen. Es gewann Gestalt in dem Führer Adolf Hitler...Dieses Gesetz spricht zu uns in der aus Blut und Boden erwachsenen Geschichte unseres Volkes...Aus dieser Gemeinde Deutscher Christen soll im nationalsozialistischen Staat Adolf Hitlers die das ganze Volk umfassende Deutsche Christliche Nationalkirche erwachsen. Ein Volk! Ein Gott! Ein Reich! Eine Kirche!

Die "Ausstoßung der "fremdblütigen" evangelischen Christen (getaufte Juden) und die Beseitigung "alles Undeutschen in Gottesdienst und Bekenntnis" forderten die weite Teile der evangelischen Kirche umfassenden Glaubensbewegung Deutscher Christen, die in weiten Kreisen der evangelischen Kirche Unterstützung fand.

Die Deutschen Christen, die unter Führung nationalsozialistischer Pfarrer seit Herbst 1932 aktiv waren, gewannen bei den Kirchenwahlen im Juli 1933 über 70%.

Nachdem auch das Konkordat der deutschen katholischen Kirche nicht den erhofften Schutzraum innerhalb des totalitären NS-Staates bot, mahnte ein Päpstliches Rundschreiben 1937 (Enzyklika "Mit brennender Sorge") die zugesagten Sonderrechte an:

Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Landes und des Volkes

Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung - die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten - aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffenen und gottbefohlene Ordnung der Dinge."

Quelle: Georg Denzler/Volker Fabricius (Hrsg.), Die Kirchen im Dritten Reich

An zwei Stellen der Enzyklika wird die NS-Rassenideologie kritisiert, aber nicht gegenüber der antisemitischen Hetze und Verfolgung der Juden, sondern bezogen auf die Vorherrschaft der germanischen Rasse, die mit dem christlichen Verständnis der Heiligen Schriften der Bibel, insbesondere des Alten Testaments, nicht übereinstimmte.

Obwohl auch hier die Juden oder andere Opfergruppen nicht erwähnt werden, übt der Papst nun Kritik an der NS-Rassenideologie. Das Rundschreiben wurde in allen katholischen Kirchen verlesen, hatte aber unter den deutschen katholischen Bischöfen nur wenig Resonanz. Lediglich zwei Bischöfe, Konrad Graf Preysing in Berlin und Clemens August Graf von Galen in Münster, drängten - vergeblich - auf eine entschiedenere Politik ihrer Kirche.

Die Bekennende Kirche als Oppositionsbewegung innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands gab im Mai 1934 eine theologische Erklärung ab, in der es hieß:

... der Zerstörung des Bekenntnisses und damit der evangelischen Kirche in Deutschland im Glauben und in der Einmütigkeit zu widerstehen. Den Versuchen, durch falsche Lehre, durch Anwendung von Gewalt, Unlauterkeit des Vorgehens die Einheit der Deutschen Evangelischen Kirche herzustellen, setzt die Bekenntnissynode entgegen: Die Einigkeit der evangelischen Kirchen Deutschlands kann nur werden aus den Worten Gottes im Glauben durch den Heiligen Geist."

Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen." (Barmer Erklärung)

Der Barmer Erklärung folgte am 20. Oktober 1934 die Dahlemer Bekenntnissynode. Liest man die Texte, so wird deutlich, daß es vor allem um die innerkirchliche Auseinandersetzung mit der Reichskirche geht, um die Einheit der Kirche und die Reinheit der Kirchenlehre. Kein Wort über die antisemitischen Ausfälle gegen Juden, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere Verfolgte, die bereits zu diesem Zeitpunkt zu Tausenden verhaftet, in Konzentrationslagern und Gefängnissen, oder wie viele Juden auf dem Weg in die Emigration waren. Kritischen Widerstand gab es nur von verantwortlichen Einzelpersonen der Kirche , die nicht auf die Unterstützung ihrer kirchlichen Führer zählen konnten.

Der Widerstand einer Minderheit richtete sich gegen die Gleichschaltung der 28 selbständigen Evangelischen Landeskirchen 1934 zu einer "Reichskirche unter einem Reichsbischof".

Nur eine Minderheit - etwa die Mitglieder der 2. Vorläufigen Leitung der BK - wagte sich vor und ging über den innerkirchlichen Streit hinaus. Diese inneren Widersprüche der bekennenden Kirche sollen nicht verschwiegen, sondern nüchtern festgehalten werden. Bei der Erforschung des Widerstandes der BK hat sich gezeigt, wie heterogen sie sich zusammensetzte und daß die Bereitschaft zu regimekritischen Haltungen und Handlungen stark differierte. (Quelle: Archivbericht Nr.7, 1997, EK Berlin-Brandenburg, Widerstand in Berlin von 1933-1945, S. 26)

1935 wurde in den evangelischen Kirchen soweit sie der Bekennenden Kirche angehörten, durch Kanzelverkündigungen auch gegen die "rassisch-völkische Weltanschauung" Stellung bezogen , letztlich aber die Gläubigen zum Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit ermahnt. Nur in einer Denkschrift des "radikalen Flügels" der Bekennenden Kirche - also nicht durch die gesamte BK -, werden Antisemitismus, Willkür der Gestapo und Existenz von KZs verurteilt. Es gab Proteste gegen deutsches Neuheidentum und die Ideologie einer völkischen Religion und germanisch-heidnischen Götterglauben bzw. einer Vergottung Hitlers.

Daraufhin wurden 500 Pfarrer vorübergehend verhaftet.

Der Antisemitismusforscher Professor Wolfgang Benz kommt in seiner Studie "Widerstand im Nationalsozialismus" (Zentrale für politische Bildung, 1994) zu folgender Einschätzung:

Weder gegen die Entrechtung der deutschen Juden durch die Nürnberger Gesetze im September 1935 noch gegen den Novemberpogrom 1938 ("Reichskristallnacht am 9. November) haben die Kirchen als öffentliche Institutionen geschlossen und nachdrücklich protestiert."

Insgesamt sind in der Zeit der NS-Herrschaft etwa 900 evangelische Christen, Pfarrer und Laien, verhaftet und bestraft worden, wegen ihres aus dem Glauben motivierten Widerstandes. Sie kamen ins Gefängnis oder ins KZ, zwölf Personen wurden aus Glaubensgründen hingerichtet.

Herausragend unter der kleinen Gruppe evangelischer Christen bleibt deshalb bis heute der evangelische Pfarrer und Theologe Martin Niemöller (1892-1984), führendes Mitglied der Bekennenden Kirche, der im Herbst 1933, als der sogen. "Arier-Paragraph" auch in den Kirchen eingeführt wurde, den Pfarrernotbund gründete, dem bis Jahresende 6000 Pfarrer beitraten. Er kam 1937 ins Konzentrationslager, wo er bis zum Ende der NS-Herrschaft blieb.

Dort erlebte er die Standhaftigkeit der Zeugen Jehovas,. Er erinnert sich daran in seinem kurz nach dem Krieg erschienenen Buch "Ach Gott vom Himmel sieh darein. Sechs Predigten'" (Verlag Chr. Kaiser, München 1946):

Wir Christen von heute stehen beschämt da vor einer sogenannten Sekte wie der der Ernsten Bibelforscher *Zeugen Jehovas*, die zu Hunderten und Tausenden ins Konzentrationslager und in den Tod gegangen sind, weil sie den Kriegsdienst ablehnten und sich weigerten, auf Menschen zu schießen. Hier sollte es uns klar werden, wie an vielem anderen, daß gerade wir, die Kirche und die Christen, heute zur Buße, zur Sinnesänderung aufgerufen sind, wenn wir weiterhin Gottes Wort verkündigen und Gottes Sache vertreten sollen!

Ein Einzelkämpfer war auch der katholische Priester Max Joseph Metzger, der 1943 ein "Manifest für ein neues Deutschland" schrieb, und darin Völkerversöhnung, Weltfrieden, ein demokratisches, christliches, antimilitaristisches und sozial engagiertes Deutschland forderte.

Nichts zur Verteidigung der Juden.

Insgesamt kann gesagt werden, daß der Protest der beiden großen Kirchen sich vor allem in eigener Sache artikulierte und nur einzelne Geistliche sich ausdrücklich gegen die Verfolgung der Juden öffentlich gewandt haben. Es ging in erster Linie um die Verteidigung institutioneller und religiöser Ansprüche der beiden Amtskirchen gegenüber dem totalitären Staat.

Persönlichkeiten wie der katholische Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg, der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, Pfarrer Heinrich Grüber, die sich offen für verfolgte Juden einsetzten, blieben Ausnahmen.

Die große Mehrzahl evangelischer Christen hatte sich dem Nationalsozialismus angeschlossen. Politische und religiöse Widerstandsgruppen wie Kommunisten, Sozialisten, Pfarrernotbund und Bekennende Kirche kämpften vor allem für ihre eigenen Interessen, ihre eigene Existenz und den eigenen Machtanspruch.

So kommt Professor Wolfgang Benz seiner Studie "Widerstand" (1994) zu der abschließenden Einschätzung:

Widerstand im politischen Sinne, in der Absicht, das nationalsozialistische Regime zu stürzen, hat die Bekennende Kirche als Ganzes nicht geleistet. Sie kämpfte erst für die Unversehrtheit ihrer organisatorischen Strukturen und dann für die Unabhängigkeit der kirchlichen Lehre, nach welcher die christlichen Gebote nicht der NS-Ideologie unterstellt werden durften.