5. Zusammenfassung

Die Logik der Zeugen Jehovas fügte sich nicht in die Logik des "gesunden Menschenverstandes", was die Erkenntnis gefordert hätte, daß man der Diktatur Hitlers nicht widerstehen konnte und daß ein gewaltloser Widerstand einer kleinen Glaubensgemeinschaft zu ihrer Auslöschung führen mußte. Es war eine "Logik des absoluten Glaubens" einer fundamentalistisch-biblischen Gemeinschaft, die solchen glaubensmotivierten Widerstand möglich machte.

Es ist erstaunlich, daß gerade die Kirchen heute eine Glaubensgemeinschaft zur Rechtfertigung ihres damaligen Widerstandes zwingen, die nach unwiderlegbarer Beweislage einmalige Standhaftigkeit bewiesen und außerordentliche Opfer gebracht hat.

Der Widerstand der Zeugen Jehovas beweist zweierlei: daß auch eine größere Gruppe letztlich nichts bewirken konnte, aber auch, daß pazifistischer Widerstand in Form von Verweigerung möglich war, daß der Preis dafür jedoch wirklich das eigene Leben war. Das ist eine Antwort auf die Frage der Nachgeborenen: Warum habt ihr nichts getan?

Wie die Publikationen der letzten Jahre verdeutlichen, hat eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser vergessenen Opfergruppe des NS-Regimes erst begonnen. Für die Kirchen bedeutet dies eine erneute Hinterfragung nicht nur ihres eigenen Versagens, sondern vor allem des eigenen Anspruchs auf die Nachfolge Jesu Christi.

Die bewegenden Berichte der überlebenden Zeitzeugen in der Video-Dokumentation machen eines deutlich: Es gab keine Anweisungen der Watch Tower-Zentrale, diese kamen allein aus der Heiligen Schrift, dem Alten und dem Neuen Testament.

Die Zeugen Jehovas können sich mit Recht darauf berufen, dem "Bösen" widerstanden zu haben. Im wörtlichen Sinne der biblischen Aufforderung haben sie ihren Anspruch, in der wahren Nachfolge Jesu Christi zu stehen, erfüllt. Die beiden großen Kirchen haben nach eigenen Eingeständnissen furchtbar versagt. Nach über sechs Jahrzehnten sollte ihnen im Namen des Christentums Respekt erwiesen werden.

Hätte es dieses Beispiel einer standhaften christlichen Glaubensgemeinschaft unter der nationalsozialistischen Diktatur nicht gegeben, so müßte nach Auschwitz und dem Holocaust an der Erfüllbarkeit der christlichen Lehre Jesu gezweifelt werden.